rund um eine spekulative Fragestellung, ob die Bildungseinrichtungen in Holzminden besser ihren Platzbedarf in neuen baulichen Projekten erfüllt finden, welche ohne den historischen Altkomplex auskommen, mithin diesen dem Abriss anheim stellen und sich einzig auf die Errichtung von Neubauten stützen, oder ob die Nutzungsanforderungen der Gegenwart und Zukunft auch mit jenem wilhel-minischen Architekturzeugen von 1894, als ablesbar gleichrangigem Mitglied eines künftigen Ensembles, adäquat bedient werden können.
Für den Verfasser steht dabei weniger eine dezidierte Evaluierung des bau-historischen Werts des Schulhauses im Fokus. Auch eine in die Tiefe gehende Bewertung der Substanz, (z. B. der zeittypischen Ziegel-Fassade oder der teil-weise im original erhaltenen Gestaltung der Innenbereiche), der städtebaulichen bzw. quartierprägenden Wirkung, auch seiner Identifikationskraft für die Stadt Holzminden, erscheint dem Verfasser im Kontext seiner knappen Stellungnahme und deren Ziel, Fakten zu bautechnischen und sanierungsrelevanten Erwägungen darzulegen, entbehrlich.
An dieser Stelle muss deshalb die lapidare Feststellung genügen, dass es sich bei der zur Rede stehenden Baulichkeit ganz unstrittig um ein in seiner Grundsubstanz ansehnliches und prägnantes Stück Baugeschichte handelt. Auch unter Berücksichtigung der fehlenden Eintragung in das niedersächsische Baudenkmal-Verzeichnis und der traurig-manifestierten Tatsache, eines eher misslungenen, rein postmodern-fuktionalen Anbaus aus dem letzten Jahrhundert.
Grundsätzlich liegt es deshalb nahe, Planungskonzepte zu prüfen (und ggf. zum Gegenstand eines öffentlichen Diskurses zu machen), die, vereinfacht gesagt, den Erhalt des Alten im Blick haben und vor allem eine Symbiose mit dem Neuen in funktional kluger und architektonisch-städteplanerisch bereichender Weise, zu leisten im Stande sind – ähnlich der Aufgabenstellung aus dem Archi-tektenwettbewerb vor knapp zehn Jahren. (Siehe nachfolgende Darstellungen)
Dabei wird sofort deutlich, dass sich jener Projektierungsgedanke nur als angemessene Alternative nachhaltig und mit guten Argumenten verfolgen lässt, wenn erste Erkenntnisse über die technische Machbarkeit und die zu erwartenden Kosten bezüglich aller nötigen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die bei die Anpassung des Bestandes an ein neues Raumprogramm zu Buche schlagen, als Diskussionsgrundlage zur Verfügung stehen.
Freilich kann diese erste Analyse keine detaillierte, vollständige oder gar abschließende Vorplanung der erforderlichen Baumaßnahmen ersetzen, geschweige denn einen hinreichend genauen Umfang der Baukosten abbilden. Aber mit Hilfe komparativer Gegenüberstellungen, eigene und zeitnahe Projekten mit analoger Aufgabenstellung betreffend, kann der Verfasser im Mindesten Parallelen, teilweise sogar Konvergenzen – auch im Hinblick auf zu erwartende Kosten – für sich erkennen und nutzen. Somit sind extrapolierte Aussagen und vorsichtige Prognosen zum in Rede stehenden – rein fiktiven -Vorhaben von möglichen Sanierungsaufgaben durchaus vertretbar.
Namentlich führt der Verfasser in seiner Eigenschaft als Sanierungsarchitekt hier-bei seine gegenwärtigen Projekte,
1. die Nutzungsänderung eines 400 Jahre alten Ritterguts in ein Hotelbetrieb + bauliche Erweiterungen, in der Region Hannover,
2. Sanierung + Modernisierung der 500 m² Wohnfläche umfassenden Villa Wahrendorff + Nutzungsnderung, in der Region Hannover sowie
3. eine Teilsanierung eines gründerzeitlichen Mehrfamilienhauses in Hannover-List ins Feld. (Die zeitliche Nähe garantiert einen realitätsnahen Kostenvergleich)
Zunächst sind fünf grundsätzliche Aufgabenprofile zu benennen:
Sanierung der alten Bausubstanz
Austausch / Überarbeitung / Ergänzung von Einzelbauteilen (im Wesentlichen Gründung, Wände, Decken, Dach, Fenster, Wand- und Fußbodenoberflächen, sonstige Bauteile wie Geländer, Fensterbänke + Haustechnische Anlagen)
Modernisierung und ggf. Grundrissänderungen zu Zwecken der Erfüllung neuer Nutzungsvoraussetzungen
Nachrüsten von Installationen und Hardware (für z. B. digitale Medien / Kommunikationsmedien, sonstige bau-/haustechnische Implementierungen (z. B. Beschattungs- / Klimaregulierungsanlagen)
Erfüllung aller gültigen Brandschutzanforderungen gem. § 14 NBauO und sonstiger Vorschriften zum baulichen und vorbeugen-den Brandschutz
Sicherstellung aller Fluchtwege gem. neuester Vorschrift / weitestgehende Reduktion von Brandlasten gem. neuester Vorschrift / ggf. Nachrüsten der Brandmeldeanlage / ggf. Überarbeitung des Brandschutztür-Konzepts / Rauchab-leitungsklappen-Konzepts mit ggf. entsprechenden Elementtauschmaßnahmen / Brandschottungsüberprüfung / Prüfen der Maßnahmen des passiven Brand-schutzes etc.
Energetische Sanierung
ggf. verbesserte Dämmmaßnahmen (Außenwände / Dach / U-Werte der Fenster-elemente) + ggf. haustechnische Nachrüstung + ggf. neue Energieversorgung (Fernwärme, Geothermie, Wärmeaustausch mit Hybrid- energienutzung) + ggf. additive Energiegewinnung / Einsparung (Solar / Photovoltaik) zu Zwecken der Verbesserung der energetischen Gebäudebilanz je nach Erfordernis
Weitere Maßnahmen zur Gewährleistung der Anforderungen der NBauO und sonstiger gesetzlicher Vorschriften, z. B. behindertengerechtes und Inklusion gewährleistendes Bauen etc.
Bewertung
Der Verfasser konnte mittels Begehung vor Ort am 03. März 2021 erste Eindrücke über die Beschaffenheit der Räumlichkeiten im Inneren des Schulbaus aber auch über die Fassade und sonstiger Einbauten und Bauteile gewinnen.
Darauf aufbauend, lässt sich nun mit einem vom Verfasser in den letzten Jahren entwickelten 10-Punktesystem der Grad des Umfangs und auch der Komplexität der anstehenden Maßnahmen beim betreffenden Gebäude - getrennt nach vier Aufgabenprofilen „A bis E“ – zunächst grob bemessen.
[…]
Der historische Schulbau befindet sich substanziell in einem soliden und erhaltungswürdigen Gesamtzustand. Gleichsam ist ein Sanierungsstau festzustellen und bauliche wie technische Anpassungen, um den vielfältigen Anforderungen des Brandschutzes, des behindertengerechten Bauens und anderer zuvor beschriebener Notwendigkeiten zu genügen, sind für eine zukünftige Lehranstaltsnutzung unausweichlich.
Betrachtet man dabei das Maß und den Umfang des Sanierungs- und Modernisierungsvorhabens in Gänze – auch unter Einbeziehung der zu erwartenden Kosten – so lässt sich klar sagen, dass es sich eher um ein durchschnittliches, nicht sonderlich komplexes Vorhabens handeln würde. Jedenfalls hat der Verfasser in den letzten 20 Jahren seiner Berufsausübung durchaus marodere Einzelgebäude und Gebäudegruppen einer Kernsanierung mit angemessenem und für den Bauherren sich lohnenden (Kosten-)Engagement unterzogen.
In Anbetracht der baukulturellen Dimension des Themas, sollten nach vernünftigen Maßstäben die kommunalen Entscheidungsträger in jedem Fall eine erste Planung und Studie auf den Weg bringen. Diese sollte dann u. a. die vorangegangen Einzelpunkte dieser Kurzanalyse genauer durchleuchten, um weitergehende Klarheit zur Machbarkeit zu erhalten.
Es sei abschließend daran erinnert, dass die Stadt Holzminden auffallend arm an historischer Bausubstanz ist und dass demzufolge der Frage, ob ein altehrwürdiges Lehrhaus in klassisch wilhelminischen Architekturstil unwiederbringlich abgerissen werden soll, eine besondere Verantwortung anhaftet.
Soweit aus den uns vorliegenden Informationsmaterialien ersichtlich, ist die Originalsubstanz der Schule außen wie innen aus der Erbauungszeit noch weitgehend erhalten - bis hin zu Ausbauten wie Wandvertäfelungen, aufwändigen Türen, Schmuckelementen und Böden.
Anders als bei vielen Bauten aus dieser Zeit, die in der langjährigen Nutzung und Nutzungsanpassung - insbesondere bei einer Schule - oft verbaut sind und bei denen hochwertige Originalbauteile ausgetauscht oder überdeckt wurden, scheint die Substanz zwar renovierungsbedürftig, aber in grundsätzlich gutem und vor allem erhaltenswerten Zustand zu sein.
Um dies im Detail zu überprüfen und zu verifizieren, empfehlen wir dem Bauherrn, eine Bestandsaufnahme durchzuführen und eine denkmalpflegerische Begutachtung als Grundlage für eine weitere Planung durchführen zu lassen. Für die heutigen Anforderungen an ein Schulgebäude hinsichtlich der technischen, bauphysikalischen und nutzungsbedingten Ausstattung bis hin zur Barrierefreiheit, lassen sich solche Gebäude mit ihrer soliden Bausubstanz durchaus behutsam ertüchtigen, ohne den Charakter eines historischen Gebäudes zu verlieren. Als Beispiel finden Sie beigefügt einige Unterlagen zu der von uns sanierten Schule in Bonn aus gleicher Bauzeit, bei der sowohl die ursprüngliche Konzeption durch Rückbau späterer Umbauten wieder herausgearbeitet und besonders prägende Bauteile wie historische Türen und Böden wieder freigelegt und aufgearbeitet, als auch die für eine moderne Schulnutzung erforderlichen „Aufrüstungen" hinsichtlich zeitgemäßer technischer Ausstattung, Akustik, Sicherheit, Barrierefre!heit vorgenommen wurden - sofern dies angesichts der Denkmaleigenschaft sinnvoll und möglich war.
Der Schulstandort in Bonn wurde durch zwei Neubauten auf dem Gelände ergänzt - einen Gesamtschultrakt u.a. mit den technikintensiven Lehrräumen und einen Grundschulbau. Eine solche Ergänzung bzw. Kombination von Alt- und Neubau mit den jeweils spezifischen Möglichkeiten sollte auf dem zur Verfügung stehenden Grundstück des Campe Gymnasiums auch möglich zu sein.
In jedem Fall bietet die Gesamtanlage große Potentiale sowohl für die Entwicklung eines Schulstandortes als auch ggf. für eine Mischnutzung. Um die Entwicklungspotentiale auszuloten, empfehlen wir, eine Machbarkeitsstudie mit Ausarbeitung von Nutzungsvarianten durchführen zu lassen. Wir hoffen, Ihnen mit dieser ersten Einschätzung weitergeholfen zu haben und stehen für weitere beratende Hilfestellungen gerne zur Verfügung.